Ich bin schon früh wach – konnte die letzte Nacht kaum ein Auge zumachen, heute steht mein erster Schulungsflug an! 40min. brauche ich nach Donaueschingen.
Der Fluglehrer kommt mit leicht verschnupfter Nase zu meiner Flugstunde. Wir gehen in den Besprechungsraum. Herr Naujokat startet das Briefing mit einer Anekdote aus seinem Leben. Vor 15 Jahren steigt er ins Cockpit trotz einer sehr starken Erkältung um nach Ascona zu fliegen. Nach der Alpenüberquerung und auf dem Sinkflug bekommt er starke Probleme mit seinem Druckausgleich – er muss den Sinkflug abbrechen um die Ohren frei zu bekommen, ohne wirklichen Erfolg! Ich kann aus seiner weiteren Schilderung nur erahnen, wie Gefährlich die Situation geworden sein muss. Als wichtige Erkenntnis bis heute bleibt, und dass möchte er ganz klar und deutlich vermitteln – „du musst auch Nein sagen können!“ Gerade bei gesundheitlichen Problemen darf man sich nicht überschätzen und muss das Selbstbewusstsein haben einen Flug nicht an zutreten. Es kann einem das Leben retten, unter Umständen ist man auch noch für das seiner Passagiere verantwortlich. Die Geschichte prägt sich bei mir ein und ich denke darüber noch etwas nach.
Ich bekomme erste Unterlagen für die Ausbildung ausgehändigt. Einen bis zum Rand gefüllten Aktenordner, die Schulungsunterlagen für die PPL-H Ausbildung. Hubschrauberkunde, Aerodynamik, Verhalten i.b. Fällen, Flughandbuch R22, uvm. Da kann das Studieren ja beginnen! Heute freue ich mich aber auf den Schulungsflug, das Wetter ist kalt und es scheint nur wenig Sonne. Meiner Motivation tut dies aber nichts ab. Wir begeben uns nach einem Briefing zum heutigen Schulungsprogramm zum Hubschrauber, der R22. Diesen hat Herr Naujokat bereits vorgewärmt, nicht das Cockpit sondern die Zylinder vom Triebwerk. Dadurch können wir die sonst lange Aufwärmphase deutlich reduzieren. Nach dem wir die Flugvorbereitungen abgeschlossen haben setzen wir uns in den Hubschrauber. Es gibt für mich eine ausführliche Einweisung in den Innenscheck nach Klarliste. Es folgt eine Demonstration. Dann bin ich an der Reihe, gemeinsam starten wir das Triebwerk und bringen es nach Checkliste auf die entsprechende Leistung. Das Geräusch der drehenden Rotorblätter und die gesamte Kulisse dazu – es ist einfach toll!
Der Fluglehrer bringt den Helikopter, nach dem er über Funk die Freigabe erhalten hat in einen Bereich des Flugfeldes wo wir üben können. Die davor im Briefing angesprochenen Steuerorgane kenne ich bereits in der Theorie. Wir beginnen mit den Pedalen, diese bewegen den Hubschrauber in der Horizontalen nach Links oder Rechts. Dies geschieht durch den Heckrotor. Da wir einen Links-drehenden Hauptrotor bei der R22 haben, muss der Heckrotor für eine Drehbewegung nach Links – mehr Energie aufbringen als nach rechts. Jedoch benötigen wir bei einer Drehbewegung nach Rechts – deutlich mehr Leistung zum Abbremsen der Drehbewegung. Wie sich das ganze praktisch in den Füßen anfühlt und wie man die Pedale drücken muss wird mir demonstriert, die gesamte Steuerung ist beim Lehrer dupliziert, ich kann also wie in der Fahrschule die Steuerung mitfühlen und so ein Gefühl bekommen was ich machen muss. Nun bin ich an der Reihe und mache die ersten horizontalen Drehungen, erst 90° dann um die gesamte Achse. Die Drehung links, dem Drehmoment folgend, geht recht flüssig, wohingegen die Drehung rechts etwas unruhiger ist. Ich merke den Wind und es ist nicht ganz einfach die Kontrolle zum ruhigen Navigieren zu behalten. Nun geht es mit dem Pitch weiter, dieser bewegt den Hubschrauber in der Vertikalen nach oben oder unten. Hier ist darauf zu achten, sachte und in kleinen Schritten die Steuerung zu bedienen. Ziehen oder drücken, kurz abwarten, und dann ggf. nach steuern. Auch dies klappt nach langsamer Annäherung ganz gut. Die nächste Stufe ist beide Einheiten, Pedale und Pitch zusammen zu bedienen. Da braucht es Übung, Erfahrung und Gefühl. Je nach Steuerrichtung, muss mit allen Steuerelementen unterschiedlich zusammengearbeitet werden. Wir hovern (schweben) nun über das Flugfeld und machen dazu diverse Einzelübungen. Drehungen, Absenken und Landen sowie Abheben. Die einzelnen Schritte macht mir Herr Naujokat vor und ich wiederhole diese dann. Nach einer kurzen Pause für meine Hände und Beine, die braucht es, denn es ist sehr fordernd – immerhin macht man dies zum erstmal und ist zu 100% Konzentriert und sehr verkrampft. Nun gehen wir isoliert an den Stick. Das Balancieren einer Kugel, auf einer Kugel – so würde ich es beschreiben. Jede allzu kleine Bewegung macht sich sofort bemerkbar, man muss ständig reagieren – auf Wind, Steuerimpulse und die eigene Wahrnehmung. Hier hilft nur eines, fühlen, üben und Konzentration. Den Stick alleine zu bedienen klappt schon etwas, ich muss mir immer wieder den Bezugspunkt vor der Maschine suchen und halten, sobald ich diesen verlasse steuere ich falsch. Das Schweben ist sehr anstrengend für mich, für heute ist meine Leistungsgrenze erreicht – damit bin ich aber voll Zufrieden! Nun kann ich nochmals etwas durchatmen und werde mit einer großen Platzrunde belohnt. Wir funken zum Tower und nehmen Fahrt auf, dann steigen wir und ich darf mit Stick und Pitch selbstständig fliegen. Hey – ich fliege, das geht alles so schnell dass ich es kaum bemerke! Die Umgebung nehme ich nur fokussiert war, ich bin absolut auf die Steuerung und die Instrumente konzentriert. Im Horizontalflug lerne ich, wie ich mit den Pedalen den Hubschrauber gerade ausrichte. Wenn der Hubschrauber nämlich schiebt (quer zur Flugachse steht), erkennt man es an einem Messinstrument mit einer schwarzen Kugel. Und man spürt es…, das Sprichwort: „Kick the ball“ – also Pedal in Rechnung der angezeigten Kugel geben und so den Hubschrauber eine gerade Ausrichtung. Anschließend machen wir Steig und Sinkflüge, dafür bewegen wir den Stick nach vorne, der Rotorzug ist vorwärts gerichtet und wir sinken, entgegengesetzt ziehen wir den Stick um mit der Energie zu steigen. Jede Übung wird mir demonstriert und ich wiederhole diese dann, dieses Verfahren gibt mir ausreichend Zeit um ein Gefühl für die Umsetzung zu bekommen. Da es sehr gut klappt darf ich noch eine zweite Runde fliegen. Damit sich die Abläufe gleich einprägen können!
Was für ein Tag – ich bin erschöpft und zugleich begeistert. Nach dem wir gelandet sind und ein De-Briefing gemacht haben geht es für mich nachhause.