Nach einigen Wochen des Wartens habe ich heute meinen Solo-Überlandflug zu absolvieren. Endlich spielt das Wetter für eine sichere Flugdurchführung mit. Die Flugstrecke bin ich in den letzten Monaten bereits zweimal abgeflogen und fühle mich daher bestens vorbereitet. Trotz einer gewissen Anspannung – wohl der Erwartung geschuldet endlich den Flug durchführen zu können – bin ich mir meiner bisher erlernten und geschulten fliegerischen Fähigkeiten sicher.
Wie gewohnt habe ich im Voraus schon zuhause die Flugvorbereitung selbständig erstellt. Dazu zählt insbesondere Folgendes:
- Flugdurchführungsplan
- Weight&Balance (für eine Person)
- NOTAMs
- Wetterberatung
- Strecke in die Karte zeichnen
- AIP der Flugplätze
- Übersicht der einzelnen Flugabschnitte
Als wichtigste und hilfreichste Vorbereitung empfand ich später, dass ich den kompletten Flug samt Funk nochmals simuliert hatte. Durch die Wiederholung und Vertiefung habe ich mich bestens vorbereitet gefühlt.
Es geht sehr früh los, Kai und ich treffen uns am Flugplatz um 07:30h. Wir gehen meine Unterlagen nochmals gemeinsam durch und holen eine letzte Wetterberatung ein. Im Anschluss führe ich die Vorflugkontrolle am Hubschrauber durch und betanke die R22.
Noch einmal ein kurzer Check ob alles an Bord ist, die Luftfahrtkarten greifbar und die Instrumente im grünen Bereich sind. Dann geht es los. Ich hebe ab und starte aus Donaueschingen in Richtung Norden raus. Beim Erreichen der Hindernisfreiheit passe ich meine Flugparameter (Trimmung, Vergaservorwärmung, Leistung) an und mache einen Check der Instrumente. Ich befinde mich immer noch im Steigflug. Nachdem ich die Reiseflughöhe erreicht habe, reduziere ich die Leistung und nehme Reiseflug-Geschwindikeit auf.
Es folgt nun die Navigation anhand den in der Karte vermerkten Flugabschnitten, das VOR dient als Hilfsmittel und ein ständiges Abgleichen der eigenen Position sichert die ständige Orientierung. Dabei ist aber nicht zu vergessen, immer ein Auge auf den Flugüberwachungsinstrumenten zu belassen. Ein ständig kontrolliertes und konzentriertes Arbeiten ist gefragt. Und so geht vergeht die Zeit auch wirklich wie im Fluge!
Kaum bin ich über das Sulz VOR geflogen, bereite ich mich schon auf den Anflug in Mannheim vor. Dazu zählt das Eindrehen und Abhören der ATIS Frequenz, die Anflugkarte zurechtlegen und frühzeitig auf der Turm-Frequenz den Flugverkehr mithören um sich ein Bild von der vorherrschenden Verkehrssituation zumachen.
Mit abgehörter ATIS melde ich mich 5 Minuten vor meinem Einflugpunkt Sierra bei Mannheim Turm. Ich erhalte unter anderem bereits die Information meinen Anflug über die Piste 09 zu erwarten. Nun beginne ich meine Reiseflughöhe auf die Platzrundenhöhe abzubauen. Schließlich melde ich meine Position über Sierra und erhalte die Freigabe für den Einflug in die Kontrollzone.
Ich fliege in den rechten Gegenanflug der Piste 09. Dabei passiere ich die markanten Schornsteine der Industriekomplexe. Die Stadt Mannheim liegt voraus, es ist ein beeindruckender Anflug! Dies jetzt auch noch Solo zu fliegen – was gibt es schöneres in diesem Moment?! Trotz konzentriertem Anflugprozedere kann ich den Augenblick kurz genießen. Dann geht es auch schon weiter mit den Anflugchecks und dem kontrolliertem Abbau der Flughöhe. Schließlich befinde ich mich im Endanflug und sinke in einem sauberen Gleitpfad nach unten. Ich erhalte die Freigabe zur Tankstelle zu schweben und dort abzusetzen.
Dann heißt es auftanken – AVGAS 100LL. Währenddessen kann ich eine kurze Pause machen und mich auf den Weiterflug nach Lahr vorbereiten. Dazu gehört eine wiederholte Prüfung des Flugwetters auf der Flugstrecke sowie am Ziel Flugplatz. Danach lasse ich die Maschine nach Checkliste wieder an und starte mein Abflugprozedere:
- Abflugcheck (Instrumente, Leistung, Vergaservorwärmung)
- ATIS abhören
- Funk mit Mannheim Turm
- Abheben und zum Abflugpunkt schweben
Nach erhaltener Startfreigabe beschleunige ich und hebe mit ca. 60 KIAS Steiggeschwindigkeit ab. Der Ausflug aus der Kontrollzone erfolgt ebenso über Sierra. Nachdem ich diesen passiert habe melde ich mich ein letztes Mal per Funk und erhalte die Freigabe zum Verlassen der Frequenz.
Meine Flugroute führt zunächst auf der gleichen Route zurück bis nach Bruchsal, dann drehe ich weiter westlich und nehme Kurs entlang der Weinstraße in Richtung Lahr. Dies ist für mich persönlich der schönste Streckenabschnitt. Man hat einen guten Blick über Karlsruhe, fliegt über Baden Baden hinweg und schaut hinüber Richtung Frankreich. Kurz vor Lahr hat man auch einen tollen Blick über den Schwarzwald.
Der Anflug auf Lahr hat als Besonderheit, zwei zu überfliegende Einflugspunkte. Da ich hier keine ATIS angeboten wird, mache ich direkt meinen Funk mit Lahr Turm und melde meine Position 5 Minuten vor OSCAR 1. Ich erhalte die zu erwartende Anweisung über Oscar 1 und 2 in die Kontrollzone einzufliegen sowie meinen Anflug auf die Piste 21 zu erwarten. Die Einflugspunkte finde ich ohne große Probleme und melde meinen jeweiligen Überflug.
Am Funk kann ich mithören, dass sich ein Gyrocopter auf Schulungsflug in der Platzrunde befindet und An/Abflüge übt. Von dem zweiten Einflugspunkt Oscar 2 geht es im direkten und langen Endanflug auf die Piste 21. Währenddessen scanne ich den Anflugssektor ab und entdecke den Gyrocopter vor mir. Ich reduziere meinen Anflug, überprüfe meine Leistungsreserven und halte ausreichend Abstand. Nachdem der Gyrocopter durchgestartet hat sinke ich weiter und folge meinem Gleitpfad.
Da Lahr eine sehr lange Piste von 3000m hat, teile ich meinen Anflug entsprechend ein ohne dabei die “dead man’s curve” zu vergessen. Diese “height-velocity chart” gibt den Flug- Höhen und Geschwindigkeitsbereich für eine sichere (wo eine Autorotation noch möglich wäre) Flugdurchführung an.
In Lahr gelandet schwebe ich in Richtung Vorfeld wo ich für einen kurzen Moment absetze. Ich sortiere mir das Kartenmaterial neu und überprüfe das Flugwetter für den letzten Flugabschnitt nachhause. Dann folgt wieder das Abflugprozedere und der Funk mit Lahr Turm. Ich erhalte die Startinformation von Rollhalt Bravo über die Piste 21 zu starten.
Das bedeutet einen sehr kurzen Abflug welcher entsprechend steil gewählt werden muss. Nachdem ich meine Leistungsparameter kontrolliert habe und mir meiner maximalen Startleistung bewusst bin, starte ich und hebe mit einem steilen Steigprofil und maximaler Startleistung über die Piste 21 ab. Beim Erreichen der Hindernisfreiheit reduziere ich meine Leistung etwas um das Triebwerk zu schonen und steige weiter auf normale Reiseflughöhe. Wenn das Triebwerk durch die bisherige Flugstrecke nicht ausreichend warmgelaufen wäre, hätte ich dem Turm gesagt, ich benötige eine längere Abflugstrecke und wäre vermutlich zu einem anderen Abflugpunkt navigiert worden.
Die Fliegerei erfordert ein stetes mitdenken und überprüfen der Situation. In diesem Fall kann der Fluglotse die möglichen Leistungsbegrenzungen des Hubschraubers (und/oder des Piloten) final nicht einschätzen. Daher ist die Kenntnis über die mögliche maximale Startleistung, unter Berücksichtigung der Dichte, Temperatur und Masse des Hubschraubers von essentieller Bedeutung.
Der letzte Flugabschnitt führt mich nun über den Schwarzwald. Aufgrund der Berge und den vielen Windkraftanlagen muss ich hier besonders auf die Einhaltung der Reiseflughöhe achten. Durch den aufziehenden Wind und die kräftigen Auf-und Abwinde an den Berghängen ist der letzte Flugabschnitt etwas holprig. Der Wind schüttelt die kleine R22 etwas durch, dabei kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen – wenn ich daran denke, diesen Flugtag bisher komplett alleine gemeistert zu haben.
Und so verfliegt die Zeit auf den letzten nautischen Meilen wie im Flug. Der Einflug in die Platzrunde und die Landung fühlt sich dann schon fast wie ein Zieleinlauf an. Mit etwas Stolz für die heutige Flugleistung setze ich die treue R22 am Hangar ab und führe als letzte Maßnahme die Checkliste für das Abstellen des Triebwerks durch.
Im Anschluss geht es in das De-briefing mit Kai, wo ich nochmals den Flug durchgehe sowie das Bordbuch und mein Flugbuch ausfülle. Wir unterhalten uns noch etwas über die Fliegerei und schließen so den sehr schönen Flugtag ab – welchen ich genauso wenig wie mein erstes Solo vergessen werde.