Jährlich findet in Friedrichshafen am Bodensee die Messe der allgemeinen Luftfahrt statt. Wir werden heute mit dem Hubschrauber nach Friedrichshafen fliegen und von dort aus direkt zur Messe gehen. Das Messegelände grenzt nämlich direkt an den Flughafen an. Da es sich um eine Luftfahrtmesse handelt, ist mit hohem Luftverkehrsaufkommen am Flughafen und im Umkreis zu rechnen. Dies wird nochmal deutlich, wenn man im Rahmen der Flugvorbereitung in der AIP nachschlägt, dort finden sich speziell für den Messezeitraum gültige Verfahren und Vorschriften welche zu beachten sind. Es wird also ein interessanter und spannender Tag werden.
If you’re in hurry, you’re in danger!
Die Flugvorbereitung führe ich heute selbstständig durch. Dazu gehört:
- NOTAM einholen
- lesen der AIP
- Wetterberatung einholen
- Flugdurchführungsplan erstellen
- Strecke in die Luftfahrkarte zeichnen
- mass&balance
- Hubschrauber: Vorflugkontrolle durchführen
Die gesamte Vorbereitung soll ich selbstständig erledigen, während mein Fluglehrer einen Rundflug mit einem jungen Pärchen macht. Bevor er los fliegt, sprechen wir noch einige Details miteinander ab. Als Zeitplan gibt mir Kai vor, dass ich den Hubschrauber starten soll, wenn er wieder von seinem Rundflug zurück zum Hangar schwebt. Dann könnten wir nämlich sofort los ohne Zeit zu verlieren!
Also beginne ich mit den obigen Punkten und arbeite mich sorgfältig Schritt für Schritt durch. Dabei ist es mir wichtig, die speziellen Anflugverfahren – welche während der AERO Messe gelten, zu verstehen und zu verinnerlichen. Nachdem ich im Büro mit der Flugvorbereitung fertig bin, gehe ich zum Hangar und führe die Vorflugkontrolle nach Checkliste an der R22 durch. Hier ist gewissenhaftes, ruhiges und präzises Arbeiten nötig. Immerhin geht es hier um unsere Sicherheit und darauf liegt größte Verantwortung.
Ich bin mit meinen abschließenden Checks noch nicht zu Ende, da schwebt Kai mit seinen Kunden schon wieder an. Trotzdem lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen und arbeite erst meine Punkte vollends ab bevor ich mit dem Anlassen des Hubschrauber beginne.
Und für genau dieses Verhalten werde ich von Kai gelobt! Er erwähnt wieder einen altbewehrten und weisen Spruch: if you are in hurry – you are in danger! Dazu muss man nicht viel sagen. Diesen Satz kann man wohl auf alle Lebenslagen und Situation anwenden. Kai ist sichtlich stolz darauf, dass ich mich nicht aus der Ruhe hab bringen lassen. Er wollte mich nämlich heute mit dem engen Zeitplan testen.
Abflug nach Friedrichshafen
Nun geht es aber endlich los und wir fliegen aus Donaueschingen weg in Richtung Friedrichshafen. Kai sitzt heute “stumm” neben mir weil er mich selbstständig arbeiten lassen möchte um zu sehen wie ich mit den erschwerten Flugbedingungen rund um Friedrichshafen zurecht komme. Beim Eindrehen der Funk-Frequenzen unterläuft mir ein Zahlendreher. Ich hatte diese während der Flugvorbereitung falsch notiert. Wir besprechen sofort meinen Patzer damit ich für das nächste Mal sensibilisiert bin. Kai ist aber wieder froh, dass solch ein Fehler während der Schulung passiert – so lerne ich aus der eigenen Erfahrung.
Da ich die Kontrollzone überfliegen werde um zu unserem vorgeschriebenen Einflugspunkt zu kommen, funke ich kurz vor Friedrichshafen mit dem Tower und informiere ihn und andere Luftfahrzeuge über mein Handeln. Laut meinem Fluglehrer gehört dies zu einem guten Airmanship. Um die Kontrollzone zu überfliegen müssen wir auf FL55 (flight level, Flugfläche)aufsteigen. Ab 5000ft stellen wir unseren Höhenmesser auf den ISA-Standard Druck von 1013hpa um. Bevor ich dies einstelle, merke ich mir den aktuellen Druckwert, 1026hpa. Auf diesen Wert muss ich wieder beim sinken unter 5000ft umstellen. Die Differenz, resultierend aus den beiden Druckeinstellungen hat 400ft ergeben. Wir mussten also 400ft mehr steigen um FL55 zu erreichen. Nachdem wir die Kontrollzone überflogen haben, sinken wir wieder und stellen den Höhenmesser auf 1026hpa zurück. Nun fliegen wir in Richtung unseres Einflugpunktes SIERRA. Das Einflugverfahren über diesen Einflugpunkt sowie eine gesonderte Funkfrequenz ist speziell für Hubschrauber während der AERO Messe laut AIP vorgeschrieben. Über Funk melde ich mein Einfliegen in die Kontrollzone über SIERRA und werde vom Lotsen zum Hubschrauber Abstellplatz geschickt.
Die AERO 2015
Auf dem gesamten Vorfeld reihen sich Flächenflugzeuge in Reih und Glied. Auch einige Hubschrauber sind schon da. Wir landen am nächst freien Platz und stellen unsere R22 ab. Dann werden wir von einem Shuttle-Bus abgeholt und direkt zum angrenzenden Messegelände gefahren. Es gibt einen separaten Eingang für Besucher, welche mit einem Luftfahrzeug angereist sind. Wir genießen nun die Messe, es werden Flächenflugzeuge, Drohnen, Hubschrauber und alles Rund um das Thema Luftfahrt präsentiert. Das Publikum ist international und es gibt auch viel verrücktes und ausgefallenes zu sehen. Es ist eine tolle Atmosphäre und ich lerne interessante Menschen kennen. Kai stellt mich einigen seiner Fliegerkollegen vor. Es werden Erfahrungen und gemeinsam Erlebtes erzählt, es ist eine tolle Stimmung. Auch Volker Grasberger berichtet mir von seinen Erfahrungen und wir kommen auf den Spruch: if you’re in hurry, you’re in danger. Er bestätigt mir das gleiche wie Kai heute früh, wie wichtig es ist ruhig und präzise zu arbeiten. Es macht Spaß und ist sehr spannend mit den erfahrenen Fliegerkollegen zu sprechen.
Nachdem wir den Tag auf der Messe gemeinsam verbracht haben werden wir wieder vom Shuttlebus zurück zum Hubschrauber gebracht. Wir starten die R22 und fliegen zurück nach Donaueschingen. Es geht entlang der Bodensee Küste, dabei können wir nochmals das Alpenpanorama vor blauem Himmel genießen. Der Rückflug klappt einwandfrei samt Funk. Kai ist mit meiner fliegerischen Leistung heute voll zufrieden! Ein langer und schöner Tag geht zu Ende, ich freue mich schon auf die nächste Messe.