Einblick in den Gebirgsflug - Teil 2

17 März 2016
17 März 2016, Kommentare 0

Im ersten Teil habe ich schon über unsere Flugvorbereitung berichtet.
Heute geht es ins Gebirge!

Bevor es los geht!

Ohne Probleme stehe ich um 0520h auf, meine Spannung und Vorfreude hat mich keine Sekunde länger im Bett gehalten. Um 0700h treffen wir uns wie besprochen am Flugplatz und beginnen gemeinsam mit der Vorbereitung. Über skybriefing.com holen wir uns das DABS (daily airspace bulletin switzerland) ein, hier können wir überprüfen welche danger+restricted areas aktiv sind. Anhand der Schweizer Luftfahrtkarte stellen wir fest, dass einer dieser Gebiete in Frage kommen würde. Unser DABS ergibt, dass die LSR3 (FL100-130) in gewissen Abständen heute aktiv ist.  Als nächstes holen wir 3 verschiedene Wetterberatungen ein. Das Flugstreckenwetter, die Flugwetterübersicht über die Schweiz und das Meteogram von den nächsten Stationen in Hohenems sowie Chur. Bei unseren Berechnungen vom Dienstag sind wir von -15° ausgegangen in 10.000ft. Bei unserer heutigen Berechnung nach den tatsächlichen Wetterdaten sind wir aber 7°C wärmer. Deshalb prüfen wir nochmals unsere HOGE-Performance, diese liegt aber immer noch im grünen Bereich.

Da wir einen grenzüberschreitenden Flug durchführen, geben wir nach der Wetterberatung unseren Flugplan (Hin- und Rückflug) auf. Danach gehen wir zum Hangar, holen die R44 raus und checken diese durch. Dann beginnen wir zunächst mit dem beladen des Hubschraubers. Unsere Gepäck:

  1. Räder für den Hubschrauber (leichte Ausführung)
  2. Abdeckplane
  3. Gebirgsrucksack
  4. Schneeschuhe
  5. spezielles Funkgerät (dieses liegt nicht im normal Flugfrequenzbereich sondern empfängt folgende Kanäle: Kanal 1+2 Arbeitsflugfrequenz, Kanal 3 REGA Flugrettung, Kanal 4 Katastrophenschutz)
  6. 4ltr. Wasser

 

Als wir nun alles ordentlich und sicher verstaut haben und vor dem Hangar stehen, prüfen wir das Wetter über uns. Es ist schlecht, 500ft Wolkenuntergrenze und eine ganz dünne Stratos Bewölkung, die Sonne kann man nur ganz schwer sehen. Herr Naujokat meint: „das einfachste wäre jetzt kurz die Wolkendecke von unten nach oben zu durchstoßen. Aber!! Das ist ein absolutes no-go!!“ Zurück im Büro rufen wir den Flugplatz Sittersdorf (unser erstes Ziel für den Zoll und zum Tanken) an und erkundigen uns nach dem Wetter. Man teilt uns mit, ein Anflug ist momentan nicht möglich. Also setzen wir uns eine 3/4h in den Besprechungsraum und unterhalten uns über das Fliegen bei schlechtem Wetter. Herr Naujokat geht auf die Gefahren sehr nachhaltig ein und berichtet mir von einigen Vorfällen. Dann rufen wir nochmals in Sittersdorf an. Der Flugplatzchef Herr Willi Hefel informiert uns, dass nun ein Anflug möglich ist. Die Sicht liegt bei 1,5km und die Wolkenuntergrenze liegt bei 1000ft. Auch das Wetter in Donaueschingen hat sich etwas verbessert und so starten wir los. Mein Fluglehrer sagt: „wenn beim Hegau die Wetterbedingungen nicht besser werden, drehen wir wieder um.“ Er weißt noch eindringlich darauf hin, wenn man solch eine Aussage als Pilot trifft, muss man sich daran halten und darf vorgeschriebene Grenzen (luftrechtlich und persönlich) nicht überschreiten.

Der erste Flugabschnitt in die Schweiz

Als wir den Hegau überfliegen bessert sich das Wetter. Wir steuern südlich an Konstanz vorbei in Richtung Schweiz. Dann umfliegen wir die Ortschaft Sittersdorf westlich und kommen südlich in den Anflugsektor south geflogen. Dort stellen sich die Wetterbedingungen schlechter als vorhergesagt raus. Wir gehen bis auf 500ft AGL (über Grund) und führen schließlich unseren Landeanflug durch. Wir hovern bis zur Tankstelle wo uns Hr. Hefel mit Handzeichen einweist. Tanken in LSZVNach der Landung begrüßen sich mein Fluglehrer und Herr Hefel erstmal und quatschen ausführlich, man kennt sich. 2009 hat Herr Hefel gemeinsam mit Herrn Fleisch die Ausbildung zum Fluglehrer, auf der R44 bei der HTC gemachtVollgetankt starten wir wieder und fliegen nun zu unserer nächsten Etappe ins Gebirge. Was für eine Kulisse, die Schweizer Alpen, imposant und majestätisch. Aus dieser Perspektive wirkt das einfach nur spektakulär. Wir überfliegen einige Gipfel bis wir ins Tal von Flims/Laax kommen. Der crap siogn gion voraus, unter uns die Skilifte und die zahlreichen Skifahrer.

Fliegen im Gebirge

Bis hierher durfte ich fliegen und navigieren, nun übernimmt Herr Naujokat das Steuer und demonstriert mir die verschiedenen Verfahren im Gebirgsflug. Wir fliegen weiter auf den crap siogn gion zu, dort im Zuge der Hocherkundung überfliegen wir den Landeplatz (8000ft) mit 60KIAS, das entspricht einer TAS von ca. 70KIAS. Unser GPS zeigt uns eine Groundspeed von 57KIAS an, das bedeutet wir haben 13KIAS Gegenwind. Bei der Tieferkundung fliegen wir mit 30KIAS über den Landeplatz, dabei benötigen wir 16inch Leistung. Nun prüfen wir, ob 4,5inch Leistung zusätzlich gezogen werden kann. Das klappt! Herr Naujokat zieht jedoch weiter bis die Rotordrehzahl bei 22inch leicht nach unten geht, damit wissen wir was maximal gezogen werden kann. Jetzt fliegt er viele Anflüge auf den Landeplatz, dabei kann ich die einzelnen Schritte und Manöver gut studieren.

Die heutige Kulisse ist natürlich einzigartig und es macht einfach nur Spaß zu fliegen. Zwischendurch darf auch ich ein paar Anflüge fliegen. Nach knapp 1,5h geht es weiter und ich übernehme (Flughöhe 11.000ft hoch) zu unserem nächsten Gebirgsziel, dem clariden hüfifirn. Vor Ankunft übernimmt wieder der Fluglehrer die Kontrolle und führt die Hocherkundung (Windbestimmung / Windstärke) und die Tieferkundung (Powercheck) durch. Dabei macht er auf die U-förmigen Spuren im Schnee aufmerksam, welche von den Gebirgslandungen der Flächenflieger kommen. Auch hier führt er diverse Landungen durch. Bei der ersten Landung landet Herr Naujokat an einer Stelle wo er mir erklärt, dass wir hier einen leichten Luv-Effekt haben und dies uns zusätzlich Leistung bringt. Dann hovern wir einige Meter weg wo der Luv Effekt sich nicht mehr bemerkbar macht und wir am MAP erkennen, dass wir +3inch mehr zum hovern benötigen. Auch durch die Orographie der Felsen wird die Hauptwindrichtung immer wieder stark verändert. Es ist also ständig auf die Instrumente und Windrichtung zu achten!

Der Rückflug

Nach einem tollen Gebirgsflugtag verlassen wir die eindrucksvolle Alpenlandschaft. Ich übernehme wieder das Steuer und fliege in Richtung Sittersdorf. Dabei sinken wir kontrolliert und bauen noch diverse Navigations- und Flugmanöverübungen mit ein. In Sittersdorf gelandet wartet auf uns die Flugplatzchefin, Edith Hefel. Sie kommt direkt zu Herrn Naujokat und sagt ihm, „ die Skyguide hat sich gemeldet, du hast vergessen den Flugplan zu schließen. Aber der Willi hat das für dich gemacht.“ Mein Fluglehrer ist etwas „genervt“ – ihm ist das im Leben nun zweimal passiert. Das erste Mal vor ca. 15 Jahren in Frankreich. Daraufhin haben wir erstmal ein Zwischenbriefing beim Kaffee gemacht und den Vorfall wie folgt analysiert. Normalerweise schließt er den Flugplan im Sektor South-Sittersdorf über den FIS-Zürich (Fluginformationsservice). Die Wetterbedingungen heute vormittag im Landeanflug waren jedoch schlecht und wir waren in einem Gebiet, in welchem wir uns nicht täglich befinden. Daher konzentrierten wir uns aufs Fliegen und sagten, wir schließen den Flugplan unten am Boden. Als wir dann abgestellt haben, vertiefte ihn der Flugplatzchef erstmal in ein Gespräch, das so angeregt war, dass er vergaß den Flugplan zu schließen. Herr Naujokat erwähnt noch, dass sein Verhalten unprofessionell war. Wir überlegen uns noch am Flugplatz eine Hilfestütze, damit dies nicht mehr vorkommt und beschließen eine Heftklammer so umzubauen, dass diese eine markante Hinweiskarte für den Piloten auf dem Cockpitpanel tragen kann. An Flugplätzen ohne Kontrollzone ist nämlich der Pilot für die Schließung des Flugplans verantwortlich.  Wir unterhalten uns noch sehr nett weiter mit Willi und Edith Hefel, im Anschluss geht es mit 40ltr. getanktem Kraftstoff zurück nach Donaueschingen. Als wir nach dem Start 1000ft AGL erreicht haben, gibt Herr Naujokat über den FIS-Zürich die Startmeldung ab um den Flugplan retour nach Deutschland zu öffnen. Es geht an der Insel Reichenau und Allensbach vorbei und auf das Hegau zu. Wir besprechen im Flug noch meine Ansagen für den Funk und ich bekomme erklärt, wie die 2 Funkgeräte an Bord zu bedienen sind, damit man eine zusätzliche Frequenz zum Mithören auf die aktuelle Funkfrequenz zuschaltet.  Als wir querab Geisigen sind, funke ich die Anmeldung in die RMZ. Nun konzentriere ich mich auf eine saubere Navigation zu unserem Flugplatz. Rasch sind wir über den Baggerseen von Donaueschingen und 3min. vor Sicherstellung der Landung. Nun schließt Herr Naujokat den Flugplan mit der FIS. Ich fliege in die Platzrunde ein und lande über die Piste 18 aus Richtung Norden. Nachdem wir den Hubschrauber wieder getankt, im Hangar abgestellt und ausgeräumt haben geht es zum De-Briefing.R44 in der Sonne

Persönliche Abschlussbesprechung

Trotz des langen und aufregenden Tages gehen wir in Ruhe nochmals die wichtigen Dinge von Heute durch. Dabei sind meinem Fluglehrer zwei Themen besonders wichtig und darüber unterhalten wir uns auch noch ca. 1h. Er berichtet mir von 4 Fallbeispielen, in denen Piloten die Wolkenschicht von unten nach oben, oder von oben nach unten durchstoßen haben. Diese Entscheidungen endeten teils tödlich. Ihm liegt als Fluglehrer und persönlich alles daran, dass ich verstehe warum und weshalb dieses Manöver so gefährlich und es ein absolutes no-go ist. Meine Eindrücke nach den Fallbeispielen sind definitiv eine gewissenhafte und verantwortliche Haltung gegenüber diesem Thema. Der zweite Punkt unserer Besprechung ist, das wir vergessen haben den Flugplan zu schließen. Ich merke, dass dies noch immer an ihm kratzt. Unser Hinweisschild wird auf alle Fälle in das Cockpit kommen, das halten wir nochmal fest!

Ich durfte heute eine Menge neues erleben und das Fliegen wieder etwas weiter trainieren. Dabei habe ich eine absolut tolle Erfahrung mit dem heutigen Tag gemacht. Ich freue mich schon riesig, wenn wir in der späteren Ausbildung wieder ins Gebirge gehen. Bis dahin heißt es weiter, lernen / üben / vertiefen / präzisieren!

Comments are closed.