Als Inhaber einer PPL-H mit einer Flightime 185+ bin ich auf der Suche nach „sinnvollen“ Möglichkeiten des Fliegens auf das Vertical-Reference-Training der HTC-Helicopter in Donaueschingen gestoßen. In der Ausbildung zum PPL-H gelernt, den Horizont als Referenzpunkt zu benutzen, geht es hier um das Aufnehmen und Absetzen eines Helicopters ohne den Horizont als Bezugspunkt. Das Training ist mit 5 Praxisstunden auf 2 Tage verteilt angesetzt. Trainer ist Herr Kai Naujokat.
Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellungsrunde geht es direkt raus zum Vorfeld, wo eine R22 auf uns wartet. Als erstes werden die Original-Türen ausgebaut und gegen fensterlose Türen ersetzt. Hm…? Getankt, gestartet, fliegen wir eine Platzrunde um zu checken, was der Schüler wohl so alles kann.
Wieder am Flugplatz angekommen, schickt mich der Trainer an das Ende eines Rollweges auf ein 2x2Meter großes Quarre. Anflug in doppelter Hoverhöhe, Halt direkt über dem Viereck. Den Kopf aus dem Fenster (ah, fensterlos…) und den Blick nach unten gerichtet, soll ich nun die R22 in dem Quarre halten. Zuerst froh, dass Quarre überhaupt einmal zu streifen, gelingt es mir doch nach kurzer Zeit die Maschine so ruhig zu fliegen, dass wir uns nahezu über dem Viereck aufhalten. Nun geht es darum, die R22 in dem Quarre abzusetzen. Also, Kopf aus dem Fenster und den Blick nach unten gerichtet. Plötzlich sind nicht mehr Stick und Pitch angesagt, sondern die Pedale werden zum meistgenutzten Steuerorgan. Immer und immer wieder die Maschine absetzen und aufnehmen.
Der Trainer hat ein Einsehen, und wir fliegen rüber zu den Hallen. Doppelte Hoverhöhe über den Dächern der Hallen bleibt Herr Naujokat zwischen 2 Hallen stehen, und senkt die R22 vertikal zwischen den Hallen ab. Das nächste Mal sind Sie dran!
Wir fliegen zurück zum Viereck und üben das Absetzen und Aufnehmen. Nachdem mir auch das zufriedenstellend gelingt, soll ich die Maschine nun mit der rechten Kufe direkt auf dem Markierungsstreifen (20cm breit!) absetzen. Den Kopf aus dem Fenster, den Blick auf die Kufe und den Markierungsstreifen im Visier, versuche ich die widerspenstige R22 so ruhig zu halten, dass ich mit der Kufe den weißen Streifen treffe. Hier wird mir klar, wie wichtig es ist, den Referenzpunkt am Boden nie aus den Augen zu verlieren, oder gar zu wechseln. Da der Blick zum Boden gerichtet ist, verliert man das Gefühl für die Umgebung. Eine sehr interessante Erfahrung.
Der Trainer hat erneut ein Einsehen, und wir fliegen rüber zu den Hallen. Doppelte Hoverhöhe über den Dächern der Hallen. Jetzt war ich dran.
Den Referenzpunkt am Boden fest im Blick senke ich die R22 zwischen den Hallen und setze sanft auf. Das eben erlernte sofort in die Praxis umgesetzt. Klasse!
Als weitere praktische Übung fliegen wir zu einem nahe gelegenem Baggersee. Hier soll ich auf einer kleinen Insel mit Bewuchs landen. Dabei ist es wichtig, den Landepunkt richtig anzufliegen und punktgenau zu treffen. Die R22 abgesetzt, „klebt“ vorne ein Busch an der Scheibe, nach hinten noch 2m bis zum Abgrund. Dies üben wir ein paar mal und fliegen dann zurück zum Flugplatz. Der erste Tag wird mit einer theoretischen Wiederholung des Erlernten abgeschlossen, und wir verabreden uns für den nächsten Tag.
Am zweiten Tag weichen wir ein wenig von dem geplanten Ablauf ab, und fliegen in die Berge. Für mich als Norddeutscher ein nicht alltägliches Ereignis, und das Aufsetzen auf parallel liegenden Baumstämmen auch nicht unbedingt mein Trainingsziel war. Zuerst aber wird das am Vortag erlernte noch einmal abgefordert. Nachdem ich die Übungen zufriedenstellend erledigt hatte, fliegen wir zu einem nahegelegenen Berg und suchen uns dort Außenlandepunkte, die ich erkunden, anfliegen und dort landen soll. Dies gelingt auf Anhieb, und das nächste Ziel war schnell gefunden. Da unten im Tal eine kleine grüne Fläche, da will ich hin, sagte der Trainer. Die Hocherkundung abgeschlossen, die Fläche im Blick, schieße ich beim ersten Landeanflug über das Ziel hinaus. Ich hatte die Höhe falsch eingeschätzt. Die weiteren Versuche verliefen dann besser und zielsicher. Zum Mittagessen flogen wir heute durch Gebirgszüge des Schwarzwaldes zu einem abgelegenen Restaurant. Ein Traum! Später, am Flugplatz wieder angekommen, tauschten wir die R22 gegen eine R44 und übten das Anfliegen und Absetzen im Quarre (als Ersatz für eine Hubschrauber-Transportplattform). Nach insgesamt 5 Flugstunden ist das Training absolviert, und wir beenden den Tag mit dem Schreiben der Boardbücher.
Das Vertical-Reference-Training hat mich Situationen erleben lassen, die ich im normalen Fliegeralltag sicherlich nie antreffen werde. Aber gerade das richtige Einschätzen und Beherrschen eines Helicopters in solchen Situationen ist Ziel dieses Trainings, und fördert die eigene Sicherheit beim Umgang mit der Maschine. Ein herzlicher Dank geht an Herrn Naujokat, den ich als erfahrenen und versierten Trainer kennenlernen durfte.
Mit fliegerischem Gruß,
Gert Wentzel